Anzeige | Vom 20. März bis zum 2. April gehen nun schon zum 9. Jahr in Folge die Internationalen Wochen gegen Rassismus in Schleswig-Holstein an den Start. Unter dem diesjährigen Motto „Misch dich ein“ erwarten dich zahlreiche Workshops, Vorträge und Filmvorführungen. Finja T. traf sich schon vorab mit der schleswig-holsteinischen Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack und sprach mit ihr über die anstehenden Aktionswochen, über Solidarität und den Weg zu mehr Gleichberechtigung.
Wichtiger Themenwechsel beim Förde Fräulein
Wir lieben es, dir die leckersten Restaurants, die schönsten Orte, ja die charmantesten Adressen in unserem wunderschönen Norden zu zeigen. Doch bei aller Zauberhaftigkeit möchten wir auch unsere Stimme nutzen und über ernste Themen sprechen: Leider gehören Diskriminierung und struktureller Rassismus für viele Schwarze Menschen, Indigene und PoC (People of Colour) zur Lebensrealität. Gemeinsam mit dem schleswig-holsteinischen Innenministerium und dem Landesdemokratiezentrum möchten wir uns gegen jegliche Form von Rassismus positionieren und dir in dem Zuge eine großartige Veranstaltungsreihe vorstellen: Die Internationalen Wochen gegen Rassismus. Doch dazu später mehr.
Die Innenministerin im Interview: Internationale Wochen gegen Rassismus, Solidarität und ein gleichberechtigtes Schleswig-Holstein
1. Liebe Frau Ministerin, Sie und ich sind als weiße Personen nicht von Rassismus betroffen. Warum ist es dennoch wichtig, dass auch Nicht-Betroffene sich mit diesem Thema beschäftigen?
Sabine Sütterlin-Waack: Nur weil man zur Mehrheitsgesellschaft gehört, heißt es nicht automatisch, dass man sich keine Gedanken machen sollte, wie es anderen Menschen ergeht. Menschen, die vielleicht etwas anders aussehen als man selbst oder der Durchschnittsdeutsche. Es ist so wichtig, dass wir uns solidarisieren mit den Menschen, die von Rassismus betroffen sind – ganz nach unserem diesjährigen Motto „Misch dich ein“.
2. Stichwort Einmischen: Wie können sich Personen, die nicht von Rassismus betroffen sind, für Betroffene starkmachen?
Sich in brenzlichen Situationen einzumischen, ist natürlich immer auch von der jeweiligen Konstitution eines jeden Menschen abhängig. Damit meine ich nicht nur die körperliche, sondern auch die seelische. Aber unabhängig davon kann und sollte jeder eine Haltung haben und Stellung beziehen, sobald man bemerkt, dass Rassismus auch nur im Ansatz zu spüren ist. Niemand darf rassistisches Verhalten oder Äußerungen still hinnehmen.
3. Worauf legt das Innenministerium aktuell seinen Fokus im Kampf gegen Rassismus?
Eines unserer Hauptthemen ist nach wie vor die Polizei. Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Polizeibeamtinnen und -beamten während der Polizeiausbildung lernen, was Alltagsrassismus überhaupt ist, dagegen anzusteuern und ihre Sprache anzupassen sowie sich richtig zu verhalten. So ist die PD AFB (Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei Schleswig-Holstein) auch Teil des bundesweiten Schulnetzwerks Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage.
4. Haben Sie selbst schon mal eine Situation erlebt, in der Sie sich eingemischt haben und Zivilcourage beweisen mussten?
Ja, vor allem in meiner Zeit als Anwältin habe ich – vor allem vor Gericht – häufiger rassistische Situationen mitbekommen. Da musste ich oftmals mit Worten eingreifen.
5. Im Juni 2021 brachte die schleswig-holsteinische Landesregierung den Landesaktionsplan gegen Rassismus hervor. Was hat es damit auf sich?
Der Plan ist ein Signal, das wir in die Bevölkerung, die Wirtschaft und auch sonst alle wichtigen Bereiche senden: Wir dulden keinen Rassismus und gehen komplett gegen ihn an! Der Landesaktionsplan soll als Appell dienen, offen, tolerant und respektvoll miteinander umzugehen – und der Appell richtet sich auch ans uns selbst, denn jeder erwischt sich doch manchmal bei Gedanken oder Bemerkungen, die nicht in Ordnung sind. Man lernt immer wieder dazu, auch beim Thema Rassismus.

Maria Pape (links im Bild, Landeskoordinierungsstelle Antirassismus) und Finja hören der Innenministerin gespannt zu.
6. Welche Motivation steckt hinter den Internationalen Wochen gegen Rassismus?
Ein wichtiger Punkt ist Sichtbarmachung. Zudem möchten wir die Menschen dazu einladen, sich mit dem Thema Rassismus zu befassen – auch wenn zunächst noch Unsicherheit oder Berührungsängste bestehen. Die Wochen sind dazu da, sich zu informieren, zu sensibilisieren und ein paar Impulse zu bekommen, wie man in Zukunft handeln könnte, wenn man Rassismus erlebt oder mitbekommt.
7. Was für Programmpunkte erwarten uns während der Aktionswochen?
Eine bunte Mischung aus Workshops, Vorträgen, Diskussionsrunden und Filmabenden, in den Bereichen Kultur, Sport und viele mehr. Den Schwerpunkt bilden in diesem Jahr Menschen mit afrikanischer Herkunft. Doch darüber hinaus wird es auch andere Veranstaltungen geben, beispielsweise zu antimuslimischem Rassismus oder zu Argumentationsstrategien gegen rechte Parolen. Das Programm ist so vielfältig, gibt den verschiedensten Organisationen eine Bühne und erstreckt sich quer durch Schleswig-Holstein.
Das Programmheft mit allen Veranstaltungen und mehr Infos zum jeweiligen Termin, Ort und zur Anmeldung findest du hier.

Beim Durchblättern durch das Programmheft stößt Frau Sütterlin-Waack auf viele tolle Veranstaltungen.
8. Auf wen oder was freuen Sie sich besonders?
Natürlich freuen wir uns auf alle Gäste und Veranstaltungen, doch auf zwei Personen ganz besonders: unsere Referentin für die Eröffnungsveranstaltung am 20. März Dr. Emilia Roig und den Polizeihistoriker Dr. Dirk Götting, der am 21. März in Neumünster einen Vortrag mit anschließender Fragerunde zum Thema Polizei und Shoa halten wird.

© Susanne Erler
Dr. Emilia Roig im Porträt
Dr. Emilia Roig ist die Gründerin und Geschäftsführerin der Center for Intersectionale Justice (CIJ) mit Sitz in Berlin. Dahinter verbirgt sich eine gemeinnützige Organisation, die sich für Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und ein Leben frei von systemischer Unterdrückung für alle einsetzt. Ihr Engagement und ihre Leidenschaft für internationale soziale Gerechtigkeit ist ganz besonders von ihrer Erfahrung geprägt, in einer algerisch-jüdisch-karibischen Familie in Frankreich aufzuwachsen. Ihr Wissen gibt sie stets weiter, denn seit 2020 lehrt sie an der Hertie School in Berlin, doch auch an französischen, deutschen und US-amerikanischen Unis lehrte sie bereits zu spannenden Themen. Mit dabei: Intersektionalitätstheorie, Postcolonial Studies, Critical Race Theory, Queer Feminism und Internationalem und Europäischem Recht.
Dr. Dirk Götting im Porträt
Dr. Dirk Götting ist Angehöriger der Polizei und leitet als Wissenschaftlicher Direktor die Forschungsstelle für Polizei- und Demokratiegeschichte der Polizeiakademie Niedersachsen. Er ist zugleich Kurator für polizeihistorische Ausstellungsprojekte und promovierte über die Anfänge der Arbeit von Frauen im Polizeidienst in Deutschland. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt darin, den Angehörigen des Polizeidienstes historisches Wissen zur Stärkung des demokratischen Selbstverständnisses zu vermitteln.
9. Wie können unsere Leser*innen aktiv werden und sich im Rahmen der Aktionswochen – oder darüber hinaus – engagieren?
Das ist ganz einfach: Das Programmheft angucken, so viele Veranstaltungen wie möglich besuchen und mit den Menschen vor Ort ins Gespräch kommen. Vielleicht nimmt ja der eine oder andere was mit für die Zukunft oder hat sogar Lust, einem Verein beizutreten. Davon gibt es nämlich eine ganze Menge. Hier sind ein paar tolle Vereine und Organisationen, die sich über dein Engagement freuen:
- Sisters – Frauen für Afrika e. V.
- Haus der Kulturen – Interkulturelle Begegnungsstätte e. V.
- Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage
- Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V.
- ZEBRA – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe e. V.
- Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein (advsh) e. V.
- Über den Tellerrand e.V.
- Wüstenblumen e. V.
- Kollektiv afrodeutscher Frauen e. V.
10. Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft. Wie glauben Sie, würde eine Welt aussehen, in der struktureller Rassismus endgültig als „überwunden“ betrachtet werden kann?
Alle Menschen wären gleich und niemand wird mehr nach Äußerlichkeiten beurteilt. Keine*r schaut mehr auf die Hautfarbe, auf das Geschlecht, auf religiöse Zugehörigkeiten oder sexuelle Identität. So schön diese Idealvorstellung auch ist, sind wir davon aber noch ein ganzes Stück entfernt. Genau deshalb müssen wir solche Aktionswochen machen, um möglichst viele Menschen wachzurütteln und an diese Vorstellung zu erinnern.
Internationale Wochen gegen Rassismus in Schleswig-Holstein – komm vorbei!
Genauso wie die Innenministerin möchten wir dir die Internationalen Wochen gegen Rassismus sehr ans Herz legen. Dich erwarten Begegnungen mit fantastischen Menschen und jede Menge Antworten auf all deine Fragen – scheue bloß nicht, sie zu stellen. Denn genau dafür sind die Aktionswochen da. Abschließend bleibt uns nur zu sagen: Sei solidarisch, schaue nicht weg, misch dich ein und komm vorbei!
Bis bald,
deine Finja
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